Geschichliche Betrachtungen unserer Veranstaltungen


Unser Frühjahrs Ausflug
ins Stift Lilienfeld
Was verbindet Perchtoldsdorfmit dem Stift Lilienfeld ? Die historisch am besten fundierte Darstellung der Geschichte von Perchtoldsdorf findet man bei Silvia Petrin: Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf, von den Anfängen bis 1683. Verlag der Marktgemeinde Perchtoldsdorf, 1983. Demnach treten „Herren von Perchtoldsdorf“ seit dem 12. Jahrhundert in Quellen auf. Zunächst ein „Heinrich“, später Männer namens Otto. Ein Otto von Perchtoldsdorf erreichte am 19. September 1217 die Erhebung seiner bestehenden Kapelle zur Pfarrkirche incl. bestimmter Patronatsrechte durch Bischof Ulrich von Passau. Ein weiterer Otto gehörte zu einer Gruppe von Landherrn, die nach dem Tod des Babenberger Friedrich II.Premysl Ottokar nach Österreich holten. Unter dem Premysliden bekleidete Otto die Würde eines „Kämmerers“ von Österreich. Anfänglich hatten diese „Herren von Perchtoldsdorf“ auch noch unter den Habsburgern hohes Ansehen. Otto von Perchtoldsdorf zählte zum etwa 20 Personen umfassenden Kollegium, das Rudolf I. seinem Sohn Albrecht I. zur Seite stellte, .als er diesen 1281 zum Reichsverweser in Österreich ernannte. Dieser Otto von Perchtoldsdorf, der zu den „Wohltätern von Lilienfeld“ gehörte, machte am 4.Juli 1286 auf dem Totenbett dem Kloster Lilienfeld eine Schenkung. Seinen Gedenktag hat man mit 7.Juli 1286 in das dort geführte „Necrologium“ eingetragen.Dieser historische Hintergrund hat die Wassmuth-Runde bewogen,ihren Frühjahrs -Ausflug 2024 nach Lilienfeld zu planen. Vor diesem historischen Hintergrund möchten wir Perchtoldsdorfer bei unserem Besuch besonders die Sichtweise des Klosters Lilienfeld zu dieser Beziehung kennen lernen.

620 Jahre Augustinimarkt
Jahr- und Wochenmarkt im mittelalterlichen Perchtoldsdorf
von Priv. Doz. Dr. Johannes Seidl
Im Jahre 1308 wird Perchtoldsdorf in einer Pfandurkunde als forum et castrum, „Markt und Burg“, bezeichnet. Damit kommt zweierlei zum Ausdruck. Zum einen erscheint der Ort als eine mit einer Burg befestigte Marktsiedlung, also als Markt im heutigen rechtlichen Sinn. Zum anderen weist das Wort forum auf die Existenz eines Marktes in der Bedeutung eines Ortes, wo Warenaustausch stattfindet. Gemeint ist in dem Dokument ein an einem bestimmten Tag jeder Woche abgehaltener Wochenmarkt. An welchem Tag dieser abgehalten wurde, wird in der kurzen urkundlichen Erwähnung nicht gesagt. Wie ist ein mittelalterlicher Markt vorzustellen? Welche Funktionen hatte ein solcher Wochenmarkt zu erfüllen? Einerseits wurde der Bedarf der Marktbevölkerung nach Lebensmitteln aus der Agrarproduktion des Umlandes sichergestellt, andererseits bot sich den Bauern die Möglichkeit, sich mit Gewerbeerzeugnissen, die sie selbst nicht herstellen konnten, einzudecken. In Perchtoldsdorf denke man in diesem Zusammenhang vor allem an die Fassbinder, welche die für die Weinlagerung notwendigen Fässer herstellten. Grundsätzlich vollzog sich auf den Wochenmärkten der Warenaustausch in den Formen des regionalen und vor allem lokalen Kleinhandels.
Anders verhält es sich mit den Jahrmärkten. Ihre Funktion war deutlich vielschichtiger. Obwohl sie vorzugsweise dem Fern- und Großhandel dienten, indem fremde, oft von weither anreisende Kaufleute ihre mitgebrachten Waren, zumeist Gewerbeprodukte des gehobenen Bedarfs, auf den Märkten zum Verkauf anboten, spielten sie auch für den lokalen Handel eine bedeutende Rolle, da sie den Bedarf einer Stadt oder eines größeren Marktes und des darauf zentrierten Umlandes mit nicht vor Ort gefertigten Erzeugnissen deckten. Bei der großen ökonomischen Bedeutung der Jahrmärkte nimmt es nicht wunder, dass Städte und Märkte in hohem Maße bemüht waren, vom Landesfürsten ein Privileg zur Abhaltung zu erlangen. In den allermeisten Fällen wurde dabei eine Verbindung mit älteren religiösen Festivitäten, etwa Kirchtagen oder Festen des Kirchenpatrons, angestrebt. Durch die Privilegierung mit Jahrmärkten verfolgte der Landesfürst in der Regel die Absicht, den betreffenden Städten und Märkten besondere Vorrechte einzuräumen, die den Handel am Marktort begünstigen und den Zustrom fremder Händler fördern sollten.
Schließlich profitierte die landesfürstliche Finanzverwaltung von den zu erwartenden höheren Steuereinnahmen auch nicht gerade wenig.
Ein ganz besonderer Wert eines Jahrmarktprivilegs bestand in der landesfürstlichen Garantie eines besonderen Rechtsschutzes für alle Marktbesucher, der sog. fürstlichen Freiung, auch Marktfreiheit oder Marktbann genannt. Dadurch wurde dem Marktort während der Dauer des Jahrmarktes ein erhöhter Rechtsschutz zuteil. Während der Marktzeit begangene Verbrechen oder Freveltaten wurden mit empfindlichen Strafen geahndet.
Schließlich wurden die fremden Händler ganz besonders geschützt. So wurde allen Kaufleuten während der Reise zum Marktort und auf dem Heimweg das freie Geleit zugestanden, wodurch Übergriffe auf Person und Habe des Händlers mit erhöhten Strafen bedroht wurden. Bei der großen Unsicherheit der mittelalterlichen Straßen – es gab ja keine Polizei oder Ähnliches – stellte diese Maßnahme für die Fremden eine ganz wesentliche Sicherheit dar. Um die sog. Marktfreiung, die ein- und ausgeläutet wurde, für jedermann sichtbar zu machen, wurde während der Marktzeit ein hölzernes Schwert, eine Fahne oder ein aufgesteckter Hut am Marktort sichtbar aufgestellt. Ein solches Holzschwert, gehalten von einem hölzernen Arm, befindet sich auch im Rathaus von Perchtoldsdorf. Irrigerweise wird des Öfteren behauptet, es handle sich dabei um ein Zeichen der Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit des Marktrichters. Dies trifft jedoch nicht zu. Der Schwertarm ist das äußere Zeichen des Marktbanns während der Marktzeit. Denn auch Perchtoldsdorf erhielt zu Beginn des 15. Jahrhunderts gleich zwei Jahrmärkte, eine Bevorrechtung, die ansonsten nur größeren Städten gewährt wurde. Der erste Jahrmarkt wurde am 29. Juni 1400 von Herzog Albrecht IV. auf Fürbitte seiner Mutter Beatrix von Zollern auf den nächsten Sonntag nach unser frauen tag zu der scheidung (Mariä Himmelfahrt oder Mariä Aufnahme in den Himmel, 15. August) verliehen.
.jpeg)

Herzog Wilhelm von Österreich
(1370-1406)
Schwertarm als Marktfreiungszeichen; befindet
sich am Rathaus in Perchtoldsdorf
Der Jahrmarkt sollte acht Tage vor dem Fest beginnen und acht Tage darauf enden, er dauerte demnach zwei Wochen. Diese vierzehntägige Zeitspanne findet sich bei nahezu allen Jahrmarktprivilegien dieser Zeit. Wann dieser Perchtoldsdorfer Jahrmarkt wieder abgekommen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.
Am 29. Dezember 1404 erhielt Perchtoldsdorf einen zweiten Jahrmarkt. Die nicht mehr erhaltene Originalurkunde wurde von Herzog Wilhelm ausgestellt. Diesmal soll der Markt acht Tage vor und acht Tage nach dem Fest des hl. Augustinus (28. August) abgehalten werden. Wir haben in diesem herzoglichen Privileg die Geburtsurkunde des auch heute noch abgehaltenen Perchtoldsdorfer Augustinimarktes vor uns. Hält man die Dauer der beiden Jahrmärkte zusammen, so ergibt sich eine Marktzeit von vier Wochen. Die Marktzeit begann am 8. August und endete am 4. September. Eine wahrlich sehr lange Zeitspanne, welche die ökonomische Bedeutung Perchtoldsdorfs unterstreicht.
Der Umstand, dass Perchtoldsdorf zwei Jahrmarktprivilegien erhielt, ist ein deutliches Indiz für den enormen wirtschaftlichen Aufschwung, den der Ort zu Beginn des 15. Jahrhunderts genommen hat. Wird einerseits die stete Förderung durch die habsburgischen Herzoginnen, welche die Einkünfte der Herrschaft zu Perchtoldsdorf innehatten, die Landesfürsten zur Gewährung solch bedeutender Privilegien veranlasst haben, so war gewiss auch eine ökonomische Notwendigkeit für diese Bevorrechtungen vorhanden. Wir sehen ja Perchtoldsdorf im frühen 15. Jahrhundert mit weiteren Rechten ausgestattet, die ansonsten ausnahmslos nur Städten zuteil geworden sind. So wird dem Markt 1415 von Herzog Albrecht V. die Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit in Perchtoldsdorf und Rodaun verliehen. In den 10er Jahren des 15. Jahrhunderts finden wir in den historischen Quellen einen Wernhart Haug als Bürgermeister, ein Amt, das in Niederösterreich ausschließlich in Städten zu finden war.
Fassen wir zusammen. Perchtoldsdorf verfügte mit Sicherheit seit 1308 über einen Wochenmarkt, der zur Deckung des täglichen Bedarfs an Nahrungsmitteln und Gütern der Marktbewohner diente. Weitaus bedeutsamer waren zwei Jahrmarktprivilegien von 1400 und 1404, die den Ort als bedeutendes Zentrum des Fernhandels ausweisen. Diese Privilegien setzen einen erhöhten Bedarf der Perchtoldsdorfer Bürgerschaft nach Produkten des überregionalen Handels, etwa Tuche oder landwirtschaftlich-technische Erzeugnisse, voraus. Tatsächlich verfügten die Perchtoldsdorfer Bürger durch den Weinbau und vor allem durch den Weinhandel – der Wein wurde bis Bayern verhandelt – über beträchtliche Vermögen. Die politisch-rechtliche Entwicklung folgte der ökonomischen, wie aus der Verleihung der Hochgerichtsbarkeit und der – freilich nur kurze Zeit währenden – Existenz des Bürgermeisteramtes deutlich wird.
Literatur:
Gustav Brachmann, Die Markt-Freyung. Wesen und Entstehung der Freyungs-Zeichen. In: Oberösterreichische Heimatblätter 20 (1966), S. 3-62
Karl Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich, 6. Aufl. (St. Pölten/Wien 1983)
Alfred Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, Band 1: Werden, Wachsen, Reifen. Von der Frühzeit bis zum Jahre 1848 (Salzburg 1952)
Silvia Petrin, Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf, Band 1: Von den Anfängen bis 1683 (Perchtoldsdorf 1983)
Wilhelm Rausch, Handel an der Donau, Band 1: Die Geschichte der Linzer Märkte im Mittelalter (Linz/Donau 1969)
Johannes Seidl, Stadt und Landesfürst im frühen 15. Jahrhundert. Studien zur Städteplöitik Herzog Albrechts V. von Österreich (als deutscher König Albrecht II.) 1411-1439 (= Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs, Band 5). Linz/Donau 1997
Ferdinand Tremel, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Österreichs (Wien 1969)